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Steuer in der Hand

E-Commerce ist schnell, stürmisch, manchmal sprunghaft – doch Onlineshop-Betreiber müssen nun lernen, was Krise bedeutet. Je größer die wirtschaftlichen und rechtlichen Herausforderungen für die digitale Branche, desto wichtiger die passende Beratung.
E-Commerce Datum: 28.11.2023 Autor*in: Manuel Heckel

Alle paar Meter: Ein neuer Messestand, neue Musik, ein neuer Rhythmus. Dazwischen: Menschen, überall. 70.000 Besucher schieben sich in diesem Frühsommer über das ausverkaufte „OMR Festival“ – halb Messe, halb Partyformat. Dank reichlich Rückenwind aus der Digitalwirtschaft ist die Veranstaltung in den vergangenen Jahren zu einer Größe angewachsen, die mittlerweile große Teile der Hamburger City miteinbezieht.

Überall Gedränge, Geschiebe, Gespräche: Online-Händler treffen auf Plattform-Anbieter, Suchmaschinenexperten auf Digitalmarketing-Spezialisten. Und mittendrin: Nadja Müller und Saravanan Sundaram, das Führungs-Duo von fynax. Die Steuerexperten mit Fokus auf den E-Commerce innerhalb der ETL-Gruppe sind in diesen Wochen und Monaten besonders begehrte Gesprächspartner – egal ob auf der Bühne des OMR-Festivals oder im Alltag.

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Realitätscheck im E-Commerce

Denn in die Partystimmung des Onlineshoppings mischen sich aktuell auch dumpfere Töne. Während der Coronapandemie explodierte die Branche nahezu, Webshops entstanden, wuchsen und etablierten sich. Doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine wirkt sich mit wackeligen Lieferketten sowie steigenden Energie- und Lebenshaltungskosten auch auf den E-Commerce aus. Für das Jahr 2022 meldete das EHI Retail Institutes gar einen Umsatzrückgang – erstmals überhaupt.

Doch wer genauer in die Szene hineinhört, kann ein differenziertes Bild zeichnen: „Die Geschäftsbereiche, in denen sich viele einfach mal ausprobiert haben, sind weitgehend verschwunden“, sagt Nadja Müller. „Doch Unternehmen, die diese Phase überstanden haben, können jetzt auch wieder wachsen.“ Die E-Commerce-Spezialisten begleiten dabei viele Unternehmer durch verschiedene Entwicklungsstufen. Der Startpunkt ist für viele das sogenannte Dropshipping, bei dem Waren direkt von Produzenten an Kunden vermittelt werden, ohne eigene Lagerbestände aufzubauen. So lässt sich ein Geschäft nur mit Laptop und Internetzugang starten.

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Saubere Prozesse hinter der Shopoberfläche

Für den nächsten Schritt greifen viele auf die Hilfe der großen Plattformen zurück – Amazon kümmert sich etwa gegen Gebühr im sogenannten FBA-Programm (Fulfillment by Amazon) darum, dass Waren in den Lagern neu sortiert und verpackt werden. Die nächste Stufe sind dann eigene Logistikabteilungen, die diese Arbeit übernehmen. Aus dem Ein-Mann- oder Ein-Frau-Betrieb ist so in manchen Fällen ein kleiner Mittelständler geworden, der sich global gegen Konkurrenz behaupten muss: „Die Unternehmerinnen und Unternehmer versuchen, vom klassischen Onlinehändler zur Marke zu werden“, sagt Sundaram.

Der richtige Mix aus guten Produkten, cleverem Marketing und einem einwandfreien Kundenservice kann zum Erfolg führen: „Mit der richtigen Strategie lassen sich immer noch neue Kunden finden, lässt sich immer noch wachsen“, sagt Sundaram. Doch langfristig können diese E-Commerce-Anbieter nur bestehen, wenn im Hintergrund die Strukturen bei den Themen Finanzen und Steuern mitwachsen. „Wenn man ein nachhaltiges Online-Business aufbauen will, sollte man auf jeden Fall auf seine Prozesse schauen“, sagt Sundaram.

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Kleine Firmen, komplexe Steuerfragen

Denn in dieser Branche wächst die Komplexität schneller als in manch anderen Bereichen. Nur ein Beispiel: Die Mehrwertsteuer, die in anderen Ländern eine andere Höhe hat oder andere Bedingungen mit sich bringt. Wer online verkauft, kauft meistens global ein und verkauft auch rasch global – oder zumindest ins benachbarte EU-Ausland. „Früher hat man solche Themen nur im Konzern gehabt, jetzt müssen sich junge Gründerinnen und Gründer schon an ihrem Küchentisch damit beschäftigen“, sagt Müller.

Für über 60 Prozent der befragten Online-Händler verlief etwa eine große Mehrwertsteuerumstellung auf EU-Ebene aus dem vergangenen Jahr problematisch, zeigt eine aktuelle Trendstudie von fynax und dem Händlerbund. Eine ähnlich hohe Zahl meldet einen deutlich größeren Aufwand bei den Meldepflichten. Allein die Steuerzahlung im EU-Ausland bezeichnen insgesamt 62 Prozent der Befragten als „eine herausfordernde Angelegenheit“.

Zwischen Steuerfragen und Shoptechnik

Viel zu tun, viel zu erklären also für die fynax-Berater. Denn ohne fachkundige Beratung führt der Umgang mit EU-weiten Plattformen wie dem One-Stop-Shop (OSS) oder dem Import-One-Stop-Shop (IOSS), die eigentlich die steuerliche Abwicklung erleichtern sollen, eher zu zusätzlichen Fragezeichen. In den kommenden Jahren wird das Tempo bei relevanten Steuer-Updates dabei hoch bleiben, wissen Müller und Sundaram. Denn die Politik muss sich beeilen, um die Rechtsprechung an den digitaleren Unternehmensalltag anzupassen – wenn es etwa um den Einzug der E-Rechnung oder eine tagesaktuelle Umsatzsteuer-Abrechnung geht. „Natürlich sind Steuern eher das ungeliebte Thema“, sagt Müller, „aber wer sich frühzeitig darum kümmert, wird am Ende der Erfolgreichere sein.“

Denn je klarer die Steuer-Strategie, je organisierter die Abläufe, desto mehr Zeit bleibt für die Online-Händler, sich auf neue Entwicklungen einzustellen. Immer wieder kommen neue Plattformen dazu, die sich als Verkaufskanal eignen. Immer wieder müssen neue Tools getestet werden, um den Kontakt zum Kunden zu verbessern. „Ein versierter Steuerberater kann helfen, Wachstum zu schaffen“, sagt Müller.

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Spezialwissen in der technisch geprägten Branche ist hier Gold wert. Das gilt für die Kenntnisse über die verwendeten Shopsysteme und deren Anbindung, aber auch für die Zusammenarbeit zwischen Steuerberater und Mandant selbst. Selbst kleine E-Commerce-Anbieter kommen rasch auf hohe Verkaufszahlen, wie Müller und Sundaram im Mai auf einer Bühne des „OMR-Festivals“ berichteten, vor Hunderten von interessierten E-Commerce-Praktikern. Belege analog zu sortieren, ist dann schnell nicht mehr möglich – der Austausch muss so digital werden wie das Geschäft selbst: „Wer Zigtausende Transaktionen im Monat hat, kann die nicht mehr alle ausdrucken“, sagt Sundaram.

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