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Teamwork gefragt: Unternehmens­­­nachfolge in der Steuerberatung

Mit einem guten Gefühl in die Verantwortung – oder in Richtung Ruhestand: Zahlreiche Steuerberatungskanzleien stehen vor einem Generationenwechsel. Mit dem richtigen Partner im Rücken lassen sich die Lebenswege individuell gestalten.
Personalmanagement Datum: 28.11.2023 Autor*in: Manuel Heckel

Es ist die intensive Arbeit mit den Mandanten, klar. Doch es ist noch viel mehr, was Jens Bosch an seinem Job mag: Die IT ist in den vergangenen Monaten von Servern in die Cloud gewandert, die oberste Etage des Kanzleisitzes in Alfter in Nordrhein-Westfalen wurde renoviert, alle Mitarbeiter haben höhenverstellbare Schreibtische, in den Küchen kommt jetzt Sprudelwasser direkt aus dem Wasserhahn. „Mir macht es viel Freude, mit den Kolleginnen und Kollegen in der Kanzlei zu arbeiten“, sagt der Steuerberater.

Draußen leuchtet ein goldener Herbsttag, wenige Schritte entfernt von der Kanzlei werden die letzten Blumen des Jahres auf einer Wiese gepflückt. Drinnen im Besprechungsraum klappt Bosch, gerade einmal 33 Jahre alt, sein Laptop auf. Er hat große Pläne: „Wir haben hier schon ein gutes Stück an Weg gemeinsam geschafft – wir haben aber auch noch viel vor.“ Diese Schritte kann er selbstbewusst angehen: In der Kanzlei vor den Toren Bonns arbeitet er gemeinsam mit vier weiteren Berufsträgern und insgesamt 50 Mitarbeitenden. Und seit Januar 2023 ist Bosch als einer von drei Partnern Mitgesellschafter der traditionsreichen Kanzlei BONTAX, die zur ETL-Gruppe gehört.

Ein großer Schritt für Bosch. Es ist nicht nur ein neuer Job für die nächsten Jahre, sondern die Entscheidung für einen Lebensweg. Eine Generationenfrage gewissermaßen. Und die stellt sich bundesweit immer häufiger: Das Durchschnittsalter der deutschen Steuerberater liegt bei über 53 Jahren. Wer jung in den Beruf startet, sucht nach Wegen, eine bereits etablierte Kanzlei zu übernehmen. Und wer eine solche Kanzlei aufgebaut hat, sucht nach passenden Nachfolgern für sein Lebenswerk. Die ETL-Gruppe, mit über 900 Standorten bundesweit vertreten, hat sich hier als verlässlicher Partner etabliert. Sie übernimmt die Mehrheit an erfolgreichen Kanzleien, wo Steuerberater nach Nachfolgern suchen. Und bietet umgekehrt jüngeren Steuerberatern die Möglichkeit, früh Verantwortung übernehmen zu können, indem sie deren Beteiligungen finanziell und organisatorisch unterstützt.

Jens Bosch
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Mit gutem Bauchgefühl in die Selbstständigkeit

Die Selbstständigkeit reizte Bosch von Kindheit an – doch sein Vater, ein Herrenausstatter mit eigenem Geschäft, pochte immer wieder auf Sicherheit. Die Steuerberatung als Beruf versprach zunächst einmal Verlässlichkeit, die BONTAX-Lösung dann eine Mischung aus beidem: über Jahrzehnte etablierte Strukturen in einer Kanzlei, zugleich viel unternehmerische Gestaltungsfreiheit. Bosch war mit der ETL schon in vorherigen Stationen seiner Karriere immer wieder in Kontakt gekommen. So ging er mit einem guten Gefühl in das erste Gespräch mit der damaligen Geschäftsführung. „Wir haben uns kennengelernt, gut unterhalten, viel gelacht – und sind dann erst einmal auseinandergegangen.“

Bosch brauchte ein bisschen Abstand, um ganz sicher zu sein. Das Bauchgefühl stimmte, die Rahmenbedingungen ebenfalls, der Plan nahm schließlich Form an: Vor vier Jahren ist der junge Steuerberater an Bord der Kanzlei BONTAX gekommen. Zunächst fokussierte er sich auf die Vorbereitung zum Steuerberaterexamen und übernahm parallel immer mehr Verantwortung. So baute er etwa die digitalen Anteile in der Kanzlei aus. Nach dem aufreibenden Examen dann die finanzielle Beteiligung am Unternehmen – und bereits im dem Sommer 2022 der Geschäftsführertitel.

Durch geeignete Kanzleinachfolge Kultur bewahren

Ein gutes Gefühl, ein passender Rahmen – diese Eindrücke schildert auch Bernhard Bellinger aus Düsseldorf, wenn er von dem Zusammenwachsen mit der ETL-Gruppe berichtet. Anfang der 90er-Jahre hatte sich der heute 70-Jährige im Rheinland niedergelassen und früh auf Apotheken konzentriert. Heute betreut er über 130 Apotheken, analysiert für seine Mandanten auch die Bilanzen großer Onlineapotheken, hält Vorträge und informiert immer wieder über steuerliche und betriebswirtschaftliche Belange: „Wir helfen Apotheken, sich am Markt zu positionieren“, sagt Bellinger, dessen Kanzlei sich auf der prestigeträchtigen Königsallee befindet.

Doch immer drängender wurde auch für ihn eine richtungsweisende Entscheidung, wenn auch aus einem anderen Grund als bei Jens Bosch: Wie soll es für seine Kanzlei weitergehen, wenn er in Richtung Ruhestand blickt? Immer wieder hatten Kanzleigruppen und einzelne selbstständige Steuerberater in den vergangenen Jahren bei Bellinger angeklopft, um dessen Geschäft zu übernehmen. Mal stimmte der Preis nicht, mal passte die Kultur nicht, mal wichen die Arbeitsweisen voneinander ab. Anders sah es nach dem Treffen mit einem ETL-Vertreter aus: „Wir haben im Grunde genommen zwei Tassen Kaffee getrunken, und dann war das Thema klar“, erinnert sich Bellinger heute mit einem Augenzwinkern. Innerhalb weniger Wochen waren die Verträge für „Dr. Bellinger & Kollegen“ unterschriftsreif, im Sommer 2021 übernahm die ETL-Gruppe die Mehrheit an der Kanzlei.

Die wichtigste Vorgabe von Bellinger: „Ich will unter dem neuen Gesellschafter nicht meine Handschrift ändern müssen.“ Bislang klappe das bestens. Immer noch ist er täglich aktiv, betreut Mandanten, denkt sich in aktuelle und zukünftige Themen der Apothekenbranche ein. Bis ins 75. Lebensjahr läuft sein Geschäftsführervertrag, seinen Mitarbeitern hat er klar gesagt: „Wenn ich nerve, gebt mir Bescheid – dann trete ich lautlos ab.“ Doch vorerst läuft die Kanzlei weiter, neue Mitarbeiter kommen dazu, eine erfahrene Kollegin steht für die Führungsspitze in der Zeit nach Bellinger bereit.

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Neue Netzwerke nutzen und Branchenwissen weitergeben

Doch die Jahre bis dahin will Bellinger nutzen. Hier und da ergeben sich bereits Austauschmöglichkeiten mit dem ansonsten so stillen Mehrheitsgesellschafter ETL. Als die Kapazitäten in Düsseldorf besonders knapp wurden, half eine apothekenerfahrene Kanzlei aus dem Netzwerk aus. Andersherum sucht Bellinger nach Möglichkeiten, sein über die Jahrzehnte erworbenes Branchenwissen weiterzugeben, auch über die Grenzen von NRW hinweg. „Das würde ich am liebsten in die Gruppe transportieren“, sagt Bellinger.

Eine Autostunde weiter südlich, in Alfter, geht es Jens Bosch ganz ähnlich. Bei Spezialfragen sind Kollegen aus der ETL-Gruppe nur einen Anruf entfernt. Umgekehrt ist der junge Steuerberater dabei, sich selbst tiefer in das Wachstumsfeld E-Commerce einzudenken. Hier warten neue Themen, neue Technik, neue Mandanten. Langweilig dürfte es also in den nächsten Jahren und Jahrzehnten nicht werden, da ist sich Bosch sicher: „Ich kann hier ganz viel mitgestalten, sodass ich immer wieder mit Freude zur Arbeit gehe.“